05/02/2007

"Einen gedanklichen Schritt über die Perl Poetry hinaus geht Netzdichtung, die ihre Sprache an Computer-Programmiersprachen geschult hat, ohne aber in strikter Befehlssyntax geschrieben zu sein. Die australische Netzlyrikerin mez (Mary Anne Breeze) dichtet in einer selbsterfundenen Kunstsprache "mezangelle", in der sich ASCII Art und Pseudo-Programmcode vermischen:

::Fantazee Genderator::> Assig.n[ation]inge Ov Charact.wh[m]orez 2
[w]Re[ck]quired Fiction.all.lie.sd Para.m[edical] Statuz

::Vari.able[bodie]z::> Prince Cessspit N Princess Pit N
Cin.der.ella[fitzgeraldingz] N Rap[t]punzelle N Gr.etal]

::Will B Mild[h]er than me[aslez] but damaging to the fe[male]tus during
the first try[mester].


[5 Micah Dolls awai.ting AC.TIF.[f]ASHION]

Wie die portmanteau words von Lewis Carroll und James Joyce verschachteln sich die Wörter der mezangelle doppel- und mehrdeutig ineinander. Die rechteckigen Klammern sind Programmiersprachen und gängigen Notationen der Boolschen Algebra entlehnt, in denen sie mehrere Zeichen gleichzeitig referenzieren, also Vieldeutigkeit beschreiben. Diese Polysemie ist, wie in vielen Texten von mez, auch eine der Geschlechter: ,,fe[male]tus`` liest sich simultan als ,,Fötus``, ,,weiblich`` und ,,männlich``. Andere Wörter greifen die Syntax von Dateinamen und Verzeichnisbäumen auf, sowie die Zitierkonventionen von E-Mail und Chats, mit denen das Gedicht seine verschiedenen Sprecher markiert. Die Rede ist von fünf Märchengestalten - ,,Prince Cessspit N Princess Pit N Cin.der.ella[fitzgeraldingz] N Rap[t]punzelle N Gr.etal]`` in einem imaginären Internet-Rollenspiel. Die Spielerin muß eine der vorgegebenen Identitäten annehmen und reflektiert, inwieweit dies ihre eigene Geschlechtsidentität festlegt. In diesen und anderen mez-Gedichten betreibt die "mezangelle" ihr Spiel nicht nur mit den Signifikanten, die sie ineinander metonymisch verschiebt, sondern ihrem Verständnis nach auch mit der Identität der Sprecherin und ihrer sprachlichen Codierung in programmierten Kommunikationssystemen."

- Florian Cramer, "Sub merge {my $enses;
ASCII Art, Rekursion, Lyrik in Programmiersprachen"